Ein stets wiederkehrendes Element meiner Lebensphilosophie ist die unermüdliche Investition in mich selbst. Dies ist im Kampfsport naturgemäß der Fall, da die erlernten technischen Fähigkeiten einen lebenslang begleiten und sich in vielen Situationen immer wieder auszahlen werden, körperlich wie mental. Bei BJJ zeigt sich dies nochmal ganz besonders speziell – nicht nur handelt es sich um eine höchst effektive Kampfkunst, sondern das Innere Jiu Jitsu hat, korrekt und über Jahre ausgebildet, das Potenzial, einen zur Ruhe in Person werden zu lassen. In diesem Artikel möchte ich eine weitere Investition in sich selbst vorstellen, welche mit dem erwähnten Inneren Jiu Jitsu hervorragend harmoniert und dieses in seiner Entwicklung unterstützt und befördert: dem Lesen von Büchern.
Vorab möchte ich zum Ausdruck bringen: Ich empfehle dies als jemand, der den Großteil seines Lebens massive Probleme mit dem Lesen hatte. Ich konnte es einfach nicht. Natürlich beherrschte ich die Technik des Lesens, welche ich als Kind zu Hause und spätestens in der Grundschule gelernt hatte. Aber ab einem bestimmten Zeitpunkt in meinem Leben ging der Stoff eines Buches einfach nicht mehr in meinen Kopf hinein. Egal, ob es sich um einen Roman oder ein Sachbuch handelte, ich las die Zeilen und las und las. Und nach einer gewissen Zeit merkte ich, wie es immer wieder vorkam, dass ich die Wörter und Sätze zwar las, aber sie keinen Einlass in meinen Verstand erhielten. Ich las quasi auf Autopilot und hatte, außer mich extrem zu konzentrieren, keine Möglichkeit, die Inhalte zu verarbeiten.
Bin ich froh, dass ich dieses Problem irgendwann – erst so gegen Ende 20 / Anfang 30 – in den Griff bekommen habe. Denn durch das massenhafte Lesen von Büchern habe ich sehr viel gelernt, was mir im Leben sonst wahrscheinlich verborgen geblieben wäre. Mit diesem Artikel fordere ich dich auf, das Lesen von Sachbüchern, Ratgebern und Autobiografien bedeutsamer Menschen in dein Leben zu integrieren. Es hat das Potenzial, alles zu verändern.
Ich lese immer mehrere Bücher zur selben Zeit. Meist so zwischen drei und fünf, welche verschiedene Bereiche abdecken, zum Beispiel:
eine Autobiografie (jetzt aktuell von Winston Churchill)
ein Historienbuch (jetzt aktuell zur europäischen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg)
einen Ratgeber für Persönlichkeitsentwicklung (jetzt aktuell zu öffentlichem Auftreten)
ein Sachbuch (jetzt aktuell über Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt VWL)
ein Motivationsbuch (jetzt aktuell über exponentielles Wachstum in der Weltwirtschaft und Technologiebranche)
ein Psychologie-Buch (jetzt aktuell über Bauchgefühle, den Verstand und das Herz)
einen Roman (zum Einschlafen, denn abends soll man Fiktion lesen)
Da ich über mich herausgefunden habe, dass ich kaum länger als 20 Minuten meine Konzentration halten kann, lege ich größten Wert darauf, mehrmals am Tag Intervalle einzulegen, in denen ich lese. Es kommt mir sehr gelegen, dass ich leidenschaftlicher Teetrinker bin und meinen Arbeitstag sowieso ca. acht bis zehn Mal täglich unterbreche und mir für 15 Minuten eine Sorte meiner großen Sammlung feinster grüner Tees aus Japan und China gönne. Dies ist für mich sowieso alternativlos und lässt sich mit dem Lesen perfekt verbinden. Denn hierzu muss ich mich nicht aufraffen, sondern freue mich jedes Mal auf meinen Tee.
Aufgrund meiner langen Arbeitstage von oft 12 bis 14 Stunden komme ich so auf eine beachtliche Menge Material, welches ich durchlese, einfach, weil ich es so sehr zu meiner Routine gemacht habe. Aber auch kleinere Mengen, beispielsweise durch kürzere Arbeitstage oder weniger Pausen machen über die Zeit ordentlich was aus. Alles im Leben summiert sich. Besonders langfristig betrachtet ist es manchmal regelrecht erschreckend, wie viel man über einen jahrelangen Zeitraum schaffen kann, wenn man einfach immer nur ein bisschen davon macht. Das empfehle ich auch immer meinen Schülern, deren persönliche Lebensumstände ein häufiges Training, wohl aber ein regelmäßiges, nicht zulassen. Der berufstätige Familienvater kann vielleicht nicht wie der Student, der jung und single ist, vier bis fünfmal die Woche trainieren. Er kann es aber, meist auch mit deutlich besserer Langfristigkeit, ein bis zweimal die Woche schaffen. Über die Jahre (oder Jahrzehnte) kommt er so deutlich weiter, als ein Jungspund, der das Vollzeitpensum nur ein bis zwei Jahre durchgezogen hat.
Beim Lesen sehe ich es ähnlich. Ich mache mir keinen Druck, wie schnell ich ein Buch bzw. die verschiedenen Bücher, die ich lese, zu Ende bringe. Es ist für mich Persönlichkeitsentwicklung und Vergnügen in einem – ich muss mich weder dazu zwingen, noch mache ich mir Druck damit. Über die Zeit habe ich das Lesen so lieb gewonnen, nicht zuletzt auch deshalb, weil ich einfach gemerkt habe, wie ich immer klüger hierdurch wurde. Die aufgenommenen Informationen formten sich zu Erkenntnissen und hieraus wiederum konnte ich mein Denken und Handeln zielgenau beeinflussen, was sich beachtlich auf mein Leben ausgewirkt hat. Und zwar durch und durch positiv.
So ist es irgendwann gekommen, dass ich extra meine Morgenroutine verändert habe und seitdem nochmal 15 Minuten früher aufstehe. Der erste Tee am Morgen – Ostfriesentee mit einem Stück Kandis und einem Schuss Sahne – ist mir sowieso absolut heilig. Und statt wie zuvor direkt frühmorgens am Smartphone zu gammeln und mir Social Media oder Nachrichten reinzuziehen, lese ich jetzt. Die giftigen Apps habe ich von meinem Telefon gelöscht und benutze sie nur noch gezielt in der Browser-Variante an meinem PC, wenn ich etwas Bestimmtes damit erreichen möchte. Morgens aber, wo man besonders aufnahmefähig ist, begebe ich mich in meine Leseecke, wo ich auf einem bequemen Sessel Platz nehme, ausgestattet mit einem elektronischen Heizkissen und einer Kuscheldecke – und natürlich meinem Tee und meiner Katze.
Es gibt so viele Bücher auf der Welt und selbst, wenn man alle qualitativ niederwertigen aussortiert und sich nur auf die absoluten Klassiker der Geschichte konzentriert, wird man bis zu seinem Lebensende wahrscheinlich nicht alle gelesen haben. Für den Fall, dass man so viel liest – und das jahrzehntelang – und man durch konsequentes Vorgehen unscheinbar viel Stoff in sein Gehirn transferiert, gibt es leider immer noch ein Problem: man vergisst. Natürlich wird man vieles von dem, was man gelernt und danach aktiv zu benutzen begonnen hat, für gewöhnlich dauerhaft bei sich behalten. Doch so viele kleinere wichtige Details oder auch Dinge, die einem beim ersten Lesen entgangen sind, können durch wiederholtes Durcharbeiten eines guten Buches tiefer abgespeichert und bestenfalls manifestiert werden.
Meine Methode hierfür ist folgende: Statt immer mal wieder ein bereits gelesenes Buch hervorzukramen und noch einmal zu lesen, habe ich hierfür ein System kreiert, welches ich konsequent mit meiner Morgenroutine verbinde: Meine Sammlung gelesener Bücher befindet in einem Regal. Wann immer ich ein neues Buch durchgelesen habe, stelle ich dieses dorthin. Und aus dieser Sammlung nehme ich mir ein Buch (von links nach rechts), welches ich bei meinem ersten Tee frühmorgens lese. Immer ein Kapitel. Möglicherweise brauche ich dafür einen Durchgang – oder bei einem längeren Kapitel auch manchmal mehrere und daher einige Tage. Sobald ich das Kapitel des bereits gelesenen Buches abgeschossen und somit den Stoff erneut verarbeitet habe, stelle ich es zurück ins Regal. Am nächsten Morgen wird der Vorgang mit dem nächsten Buch wiederholt.
Früher habe ich es etwas anders gemacht, nämlich als meine Sammlung bereits gelesener Bücher noch kleiner war. So nahm ich ein Buch aus der Reihe und las es über die folgenden Tage komplett durch, was manchmal mehrere Wochen dauerte – da ich es ja nur einmal täglich am frühen Morgen las und den restlichen Tag zwischen meinen zahlreichen neuen, noch nicht gelesenen, Büchern variierte. Hierdurch wurde die Sammlung allerdings mit der Zeit immer größer und größer (und sie wird es weiterhin), sodass ich auf das kapitelweise Wiederholen umstellte. So dauert es zwar immer noch Ewigkeiten, bis ich die Sammlung irgendwann komplett durch habe und jedes bereits gelesene Buch erneut gelesen habe. Aber auch hier habe ich keine Eile. Ich sehe diese Wiederholung als Marathon und freue mich jedes Mal darüber, wenn ich mir ein altes Buch zu Gemüte führe, das ich das letzte Mal vor mehreren Monaten in den Händen hielt. In jedem Buch schreibe ich mir das Datum rein, wann ich es das erste Mal anfing, zu lesen. Und dann das Datum des zweiten Males. Wenn ich ein Buch irgendwann zum dritten Mal in meinen Händen halte, was Jahre zuvor gewesen sein kann, bin ich richtig stolz.
Im Kampfsport ist ständiges Wiederholen wichtig. Auch ein Meister seines Faches, ein hoher Gelehrter, vergisst mit der Zeit kleine Details. Ich merke das immer wieder, wenn ich mich für eine längere Zeit vom Sparring ferngehalten und mich komplett aufs Unterrichten bei IPA konzentriert habe. Wenn ich dann wieder kämpfe, habe ich Jiu Jitsu zwar nicht verlernt. Aber mein Timing ist nicht präzise, meine Konter nicht treffsicher, mein Vorgehen nicht zielgenau.
Ob es sich um das Wiederholen bereits etablierter Fähigkeiten handelt oder um den Aufbau noch nicht erlangter Kenntnisse – nichts zahlt sich mehr aus, als die Investition in sich selbst. Es gibt nicht umsonst das Sprichwort, eine Investition in Wissen bringt die besten Zinsen. Nichts anderes in meinem Leben kann ich mehr bestätigen, als das. So kam es zum Beispiel auch schon mal vor, dass ich innerhalb eines einzigen Monats über 1.000 € für Bücher ausgegeben habe – alle davon habe ich mittlerweile mindestens einmal durchgelesen. Mir wichtige Stellen angemarkert, mir Stichpunkte notiert und in mein Büro geklebt, sodass ich sie beim täglichen Arbeiten jedes Mal sehe. Durch das erlangte Wissen lernt man innezuhalten, nachzudenken, abzuwägen, zu reflektieren und zu entscheiden. Jeder ausgegebene Euro wird sich doppelt und dreifach zurückzahlen – womöglich sogar hundertfach. Jede investierte Stunde wird einem in der Zukunft ein Leben ermöglichen, welches sich durch mehr Möglichkeiten und Chancen, bessere Umstände und Bedingungen auszeichnen wird. Das konsequente Lesen von Büchern ist eine der besten Investitionen, die man in sich selbst tätigen kann.