Ich erinnere mich noch ganz genau an den Sommer 2013. Ich hatte wenige Monate zuvor angefangen in einem renommierten Luxushotel am Hamburger Stadtrand zu arbeiten. Fast zeitgleich hatte ich mit MMA und Muay Thai im legendären Gym Kwan begonnen und mich, zumindest in meiner Freizeit, voll und ganz diesem neuen Lebensinhalt gewidmet. Auch wenn ich Jiu Jitsu erst im nächsten Jahr entdecken sollte, sammelte ich zunächst wichtige Erfahrungen als Kampfsportler und lernte natürlich auch BJJ-Elemente kennen.
Wie sehr ich mich aber in Jiu Jitsu verlieben und zu welchem Lebensziel ich es machen würde, das konnte ich damals noch nicht wissen. Auch, eines Tages eine eigene Kampfsportschule zu betreiben, war zunächst kein Ziel von mir – das kam ebenfalls erst mit BJJ. Im Jahre 2013 wollte ich einfach nur trainieren – zum Spaß, Druckabbau und natürlich zum Erlernen einer starken Selbstverteidigungsfähigkeit. Nachdem ich mein Leben zuvor – 21 Jahre lang, um genau zu sein – quasi keinen Sport gemacht hatte und trotz meiner Körpergröße von 194 cm mit 114 kg übergewichtig war, gab es einiges nachzuholen.
Was mir schnell klar wurde, war, dass ich einen förmlich unbrechbaren Willen zur Selbstverbesserung hatte. Dieser war durch Kampfsport zum Vorschein gebracht worden und er wurde von mir mit aller Kraft verfolgt. Es dauerte nicht lange und ich plante eine Karriere als Profisportler. Ich hatte zwar vergleichsweise erst spät mit dem Sport angefangen, aber war immer noch sehr jung. Und talentiert. Und verdammt ehrgeizig und diszipliniert. Egal wie, ich würde es möglich machen. Natürlich fing ich bald an, anderen Leuten von meinem Vorhaben zu erzählen. Und bemerkte eine Sache sehr schnell: Leute reagierten mit Ablehnung. Oft sogar mit Belächelung. Hierum soll es in diesem Artikel gehen. Diese bestimmte Personengruppe, die einem im Leben immer wieder unterkommen wird und auf welche es nicht nur unter keinen Umständen zu hören gilt, sondern welche man meiner Meinung nach am besten direkt aus seinem Leben verbannen sollte: die Zweifler.
Im besagten Luxushotel ging ich echter Drecksarbeit nach. In Nachtschichten buckelte ich an der Rezeption für ein Bruttogehalt von 1.600 € in Vollzeit zuzüglich Nachtzuschläge. Ich glaube allerdings, dass ich dort tatsächlich einer der besser bezahlten Mitarbeiter war. Insbesondere die Kollegen aus dem Service und Housekeeping verdienten noch weniger – wobei hier das Trinkgeld natürlich ein nicht zu unterschätzender Faktor war. Wie dem auch sei: Die Arbeit im Hotel war hart, undankbar und schlecht bezahlt. Auch wenn es sich nicht um klassische Büroarbeit handelte, welche ich dort machte, war es für mich dennoch nichts anderes, als im Bürogefängnis zu sein. Aufgrund der 45 Stunden, die ich dort wöchentlich verbrachte, kam man natürlich mit seinen Kollegen ins Gespräch. Und spätestens, als ich anfing, dort regelmäßig mit blauen Augen aufzutauchen, waren Nachfragen sowieso nicht zu vermeiden. Denn beim Sparring schonte ich mich niemals und versuchte bei jedem Training, das Meiste aus mir herauszuholen. Oftmals fragte ich nach einer 90min-Einheit sogar noch einen Trainingspartner, mich aus der top mount mit ground and pound zu überziehen und mich richtig blutig zu schlagen. Ich musste hart werden. Ich musste krass werden. Da waren solche Bilder keine Seltenheit.
Also wurde ich fortan oft auf meine neu entdeckte Leidenschaft angesprochen – sie war ja nicht nur in meinem Gesicht mehr als deutlich zu erkennen. Auch mein Körper im Allgemeinen veränderte sich stark und ich nahm mehr als 20 kg ab. Besonders aber auch mein Auftreten wandelte sich von ruhig und zurückhaltend zu aufgeschlossen und selbstbewusst. Kampfsport hatte in mir etwas hervorgebracht, das ich mein Leben lang gesucht hatte – ohne zu wissen, wonach ich überhaupt Ausschau halten sollte.
Leider wurde meine Begeisterung von kaum jemandem geteilt. Natürlich war es nachvollziehbar, dass meine Vorgesetzte, die Leiterin der Rezeption, wenig entzückt war, dass ich als Repräsentant des Hotels den Gästen einen solchen Anblick bot. Auch wenn tatsächlich viele der Anreisenden mit Interesse reagierten, kann ich es dennoch verstehen, dass das Führungspersonal im Hotel nicht gut darauf zu sprechen war. Aber das war mir egal. Was mir nicht egal war, war die Ablehnung meiner Kollegen. Außer meinem direkten Partner, – einem älteren Herren, mit welchem ich den Großteil meiner Nachtschichten verbrachte – und einem Azubi, der ebenfalls sportbegeistert war, gab es niemanden, der positiv reagierte. Viele fragten zwar nach, was ich denn so in meiner Freizeit treiben würde. Und warum ich plötzlich öfter mit blauen Augen und Schrammen im Gesicht zur Arbeit erschien. Oder warum ich auf einmal so gut gelaunt und glücklich war. Aber auf meine Antwort, nämlich, etwas gefunden zu haben, dass mir Sinn und Erfüllung gab, und insbesondere meine Ankündigung, das absolute Maximum aus mir herauszuholen, wurde mit Ablehnung reagiert. Unter anderem wurde ich dafür belächelt, dass ich erst vor wenigen Wochen mit dem Sport angefangen hatte und jetzt schon plante, eine Karriere daraus zu machen. Speziell ein jüngerer Kollege aus dem Service, welcher mir immer durch seine energielose, fast schon hoffnungslos wirkende Art aufgefallen war, äußerte sich besonders negativ.
Auch meine damalige Freundin reagierte nicht unbedingt mit Zuspruch. So glaubte sie anfangs beispielsweise, – ähnlich wie mein erwähnter Kollege aus dem Service – dass ich nicht allzu lange beim Sport dabei bleiben und es sich hierbei wahrscheinlich um eine Phase handeln würde: „Vielleicht begeisterst du dich in drei Monaten dann plötzlich fürs Segeln.” Ich muss ihr auf jeden Fall zugutehalten, dass sie in den darauffolgenden vier Jahren unserer Beziehung – nachdem ich Jiu Jitsu entdeckt und wenig später meine Wettkampfkarriere gestartet hatte – eine starke Unterstützerin von mir war. Dennoch werde ich nie vergessen, was sie mir einst sagte. Ich hatte ihr – inspiriert durch mein Vorbild – von meinem Vorhaben berichtet, eines Tages eine Kampfsportschule zu eröffnen und Jiu Jitsu zu meinem Beruf zu machen. Ihre Antwort? „Dann sitz’ ich da mit ‘nem Mann und ‘ner Akademie, die nicht läuft.”
Aber egal: Ich habe immer an mich geglaubt. Nur habe ich das fortan, leider, des Öfteren im Geheimen getan, statt öffentlich herauszuposaunen bzw. mit meinen Vertrauten zu teilen. Was wirklich schade ist. Wie dem auch sei, am Ende hat es alles funktioniert. Das Ziel wurde acht bzw. neun Jahre später erreicht. IPA fing klein an. In einer verhältnismäßig unschönen Räumlichkeit, über die sich stellenweise in der Community lustig gemacht wurde. Aber? Weitere zwei Jahre später kam es zu einer riesigen Expansion. Und heute sind wir die größte BJJ–Schule Hamburgs mit den besten Räumlichkeiten.
Auch wenn ich meine eigene sportliche Zielsetzung nicht komplett erreichen konnte und ein schrecklicher Mordanschlag und eine damit verbundene schwerwiegende posttraumatische Belastungsstörung meiner Profikarriere ein Stopschild vorsetzte, habe ich viel aus mir herausgeholt: Ich stand fast 300 Mal auf der Matte und habe in ganz Europa Wettkämpfe bestritten. Obwohl ich Dutzende meiner Matches verloren habe, habe ich den deutlich überwiegenden Teil gewonnen. Meinen Schülern kann ich heute mit einem riesigen Erfahrungsschatz beiseite stehen. Und als Head Coach von IPA freue ich mich nicht nur darüber, dass wir hunderte neue Kämpfer, sondern auch viele neue Coaches hervorbringen. Alles geht weiter, alles wird größer. Hätte ich auf die Zweifler gehört, wäre das nie geschehen.
Auf meinem Weg sind mir viele Zweifler begegnet. Zeitweise war ich sogar der größte Zweifler meiner Selbst. Ich hatte riesige Ängste, dass ich das alles nicht schaffen würde und mir zu viel vorgenommen hatte. Aber in meinem Inneren wusste ich immer, dass mein Ziel unverhandelbar war und ich versuchen würde, es zu erreichen. Alles, was ich noch herausfinden musste, war das Wie und das Wann. Das Warum kannte ich bereits. Und die Frage „Ja oder Nein?” stellte sich mir gar nicht. Klar war: Die innere Stimme ist lauter als alle Zweifler zusammen. Aber verdammt, können diese manchmal laut sein. Da wegzuhören, fällt nicht immer leicht. Und raubt einem unheimlich viel Energie.
Daher sage ich ganz klar: Achtung, mit wem du dich umgibst. Die Menschen aus deinem Umfeld haben einen starken Einfluss auf dich. Auf deine Gedanken, deine Stimmung und letztlich auch auf deine Taten. Insbesondere, wenn es sich um Zweifler handelt. Ihr vermeintliches Feedback ist nämlich kein gut gemeinter Ratschlag, sondern eine Bremse. Statt in deinem Boot mitzurudern, schlagen sie dir Löcher in den Rumpf. Und du musst nicht nur ihr totes Gewicht mittragen, sondern auch gegen das hineinlaufende Wasser ankämpfen. Die Energie, die das kostet, könnte ins eigene Vorhaben und ins hochgesetzte Ziel so viel besser investiert werden. Deswegen ist meine Einstellung ganz klar: Wirf sie über Bord. Statt dich mit Zweiflern zu arrangieren, – sei es, indem du mit ihnen diskutierst oder versuchst, wegzuhören – ist eines so viel effektiver: sie aus dem eigenen Leben zu verbannen. Wenn du ein großes Ziel hast, kannst du sie nicht in deiner Nähe haben. Sie werden dich verlangsamen und schwächen. Und nicht selten, wenn auch sicher nicht gezielt, entmutigen. Und womöglich sogar aktiv sabotieren.
Ich bin froh, dass ich das alles schon relativ früh erkannt habe. Es hat eine gewisse Weile gedauert, bis ich die Kraft finden konnte, Zweifler im Speziellen und negative Menschen im Allgemeinen wirklich aus meinem Leben zu entfernen. Denn nicht selten sind die Menschen aus dem eigenen Umfeld ja auch die wichtigsten. In meinem Fall handelte es sich sogar um Familienmitglieder, beste Freunde oder Lebenspartner. Und sicherlich bin ich auch mit einer gewissen Radikalität vorgegangen. Ob ich das heute, wo ich deutlich reifer und erfahrener bin, so noch einmal machen würde? Möglicherweise nicht in dieser extremen Form bzw. mit mehr Bedacht. Aber dennoch würde ich mich immer wieder von jedem einzelnen Menschen trennen, der mich in meiner Zielsetzung ausbremst oder anderweitig negativ beeinflusst.