Das Jahr 2025 gestaltet sich bisher für mich im beruflichen Sinne überaus spannend. Auch wenn ich ebenfalls im Privaten seit Anfang des Jahres eine sehr ereignisreiche Zeit hatte und teilweise wundervolle Erfahrungen zwischenmenschlicher Natur machen durfte, ist es IPA – als stetig wachsende und immer größer werdende Kampfsportschule – welche noch immer meinen Lebensmittelpunkt darstellt. Sicher auch nicht immer freiwillig. Denn in einer gewissen Hinsicht habe ich mir ein goldenes Haus gebaut, mich in dieses hineinbegeben und anschließend den Schlüssel verloren. Nicht weggeworfen. Sondern verlegt. Und wo sich dieser befindet – das versuche ich derzeit herauszufinden.
Was ich machen werde, sobald ich diesen gefunden habe, das weiß ich bereits ganz genau. Und in gewisser Hinsicht setze ich einige Elemente davon bereits um. Im Rahmen der Expansion und des damit verbundenen Wachstums von IPA ist mir das ganze Projekt mittlerweile „über meinen Kopf” gewachsen und kann unmöglich noch von mir alleine betrieben werden – so wie es quasi die gesamte Zeit zuvor war. Es hat etwas gedauert, bis ich erkannt habe, dass das so nicht mehr weitergehen kann und ich seit Juli 2022 quasi komplett auf ein Privatleben verzichtet und mich immer mehr gefangen gefühlt hatte. Und mich manchmal bei dem Gedanken erwischt hatte, dass alles den Bach runtergehen würde – einfach nur, damit ich wieder frei sein könnte.
Aber egal, nützt ja alles nichts. Ich habe einen genauen Plan, was ich demnächst tun werde. Und alles, was ich noch schaffen muss, ist, diesen verlorenen Schlüssel wiederzufinden. Wo auch immer er liegen mag – durch eine systematische Suche wird er irgendwann gefunden werden. Oder, wie es manchmal so ist im Leben, einfach wieder auftauchen. In der Zwischenzeit reflektiere ich die Vergangenheit, in welcher ich in den Jahren 2009 bis 2020 auf andere Art gefangen war – ich nenne es gerne immer das Bürogefängnis. Nicht nur war es für mich aus persönlichen Gründen dort schrecklich, sondern darüber hinaus lähmte es eine Eigenschaft des Menschen, welche bei mir ganz besonders ausgeprägt ist: das Fließen der kreativen Säfte.
Während meines ersten Sprachurlaubs im Dezember 2024 saß ich für mehrere Stunden im luxuriösen Café Pushkin nahe der Moskauer Innenstadt, nordwestlich gelegen im innersten Ring – nicht weit vom Kreml. Dort nahm ich ein exquisites 5-Gänge-Menü zu mir – dem für Deutsche günstigen Umrechnungskurs von Euro zu Rubel sei Dank – und bekam dort, während ich mich völlig entspannt fühlte und beinahe komplett sorgenfrei war, die Idee für einen Roman. Innerhalb weniger Stunden schrieb ich jeden Gedanken dazu auf eine Serviette, die mir von dem Kellner, der mich bediente und für jedes meiner Anliegen ein offenes Ohr hatte und mir jeden Wunsch zu erfüllen versuchte, gebracht worden war. Die Servietten dort waren von so hoher Qualität, dass man sie ohne Probleme als Schreibpapier zweckentfremden konnte.
In dem Roman ging es um die Rückkehr des Faschismus nach Deutschland, in welchem Bezug auf aktuelle Geschehnisse genommen wurde – gepaart mit einer gehörigen Portion Fantasie. Protagonist war ein AfD-Politiker, welcher über wenig Bekanntheit verfügte und wegen seiner Zurückhaltung im lokalen Wahlkampf weder zur Wahl auf Bundes-, noch auf Landesebene von seiner Partei als Kandidat aufgestellt werden sollte. Während eines Moskau-Urlaubs, wenige Monate vor der vorgezogenen deutschen Bundestagswahl im Februar 2025 und der eine Woche später stattfindenden Hamburger Bürgerschaftswahl im März 2025, wurde er vom russischen Geheimdienst im Café Pushkin angesprochen und rekrutiert. Mit einem Druckmittel, das man sich beschafft hatte und nun auf ihn ausübte, zwang man ihn dazu, zu kooperieren, sich als Spion ausbilden zu lassen und anschließend nach Deutschland zurückzukehren. Dort angekommen sollte er in der Landespartei erreichen, für mindestens eine der beiden bevorstehenden Wahlen für seinen Wahlkreis als Kandidat aufgestellt zu werden und zu gewinnen – durch tatkräftige Unterstützung russischer Mittel – und den Direkteinzug in den Deutschen Bundestag oder in die Hamburger Bürgerschaft schaffen. Für den ersten Fall stellte man ihm eine hohe finanzielle Belohnung in Aussicht, für den zweiten Fall eine geringere – stets jedoch bedroht durch das Druckmittel und die Warnung, die ihn kompromittierende Information samt Beweismaterial an die deutsche Öffentlichkeit zu bringen.
Im bestmöglichen Erfolgsfall sah der Plan vor, als Abgeordneter des Deutschen Bundestages die Nähe zum Spitzenpersonal der AfD suchen, Mitglied verschiedener Arbeitsgruppen zu werden und eines Tages in der Zukunft durch die Teilnahme der Aushandlung einer Regierungskoalition auf Bundesebene mit AfD-Beteiligung die Nähe zum künftigen Bundeskanzler Deutschlands sicherzustellen und als Spion für Moskau tätig zu sein. Er war jedoch plötzlich so angespornt – stark motiviert durch die Erpressung – und darüber hinaus ein so begnadeter Redner, dass er weit übers Ziel hinausschoss und Gefallen an seiner Tätigkeit als Politiker im Rampenlicht bzw. russischer Spion fand, durch welche er starken Nervenkitzel erfuhr und förmlich süchtig danach wurde.
Innerhalb der folgenden vier Jahre stieg er dann zum Spitzenpolitiker auf, wurde erster Vorsitzender der AfD und gewann im Jahre 2029 die Bundestagswahl, was er weitere vier Jahre später wiederholte – diesmal sogar mit absoluter Mehrheit. Daraufhin entbrannte aufgrund diverser Geschehnisse in Deutschland wenig später ein Bürgerkrieg zwischen Linksextremisten und AfD-Anhängern. Dieser wurde besonders intensiv in Hamburg, Bremen und Berlin ausgetragen, während weite Teile Ostdeutschlands sich von der Bundesrepublik abtrennten und ihre Unabhängigkeit ausriefen und die Ostdeutsche Freie Soziale Republik gründeten – die ODFSR. Und dann gab es da noch ein böses Geheimnis und eine mysteriöse Verbindung zum Präsidenten der russischen Föderation und einem ehemaligen deutschen Bundeskanzler, was in einem dramatischen Finale im Moskauer Kreml seinen Höhepunkt fand. Es war ein Thriller voller Intrigen und Wendungen. Cyberangriffe, Desinformation, Spionage, Sabotage und gezielte Tötungen. Ich hatte sehr viel Spaß beim Schreiben.
Man sieht schon: Ich verliere mich gerne in Fantasiewelten und komme da manchmal stundenlang nicht wieder heraus. Schon als Kind habe ich stets in bunten Bildern gedacht, bis dann als Erwachsener durch den Erwerb besonderer sprachlicher Fähigkeiten das Denken in Worten und komplexen Sätzen hinzukam. Wenn ich Zeit und Energie habe – und die Ruhe, mit diesen wichtigen Ressourcen meiner Fantasie freien Lauf zu lassen –, passieren gerne mal verrückte Dinge. Während meines achttägigen Urlaubs in Moskau war ich so zur Ruhe gekommen und erhielt plötzlich so unheimliche kreative Kräfte, dass ich einen Komplettplan für die Geschichte ausarbeitete und das Manuskript des ersten Teils des Romans, welcher eine Trilogie werden würde, zur Hälfte fertig schrieb. Ich konnte meine kreativen Säfte fließen lassen und hatte die Energie, diese so stark zum Ausdruck zu bringen, und die Zeit, all die Gedanken und Ideen in handwerklicher Form zu verarbeiten.
Nachdem ich aus dem Urlaub in Moskau nach Hamburg zurückgekehrt und wieder voll in den Betrieb bei IPA eingestiegen war, fand ich weder die Zeit noch die Energie, den Roman weiter oder gar zu Ende zu schreiben. Seitdem liegt er auf meiner Festplatte. Auch wenn meine Arbeit eine wundervolle ist und diese mich nicht ansatzweise so negativ einspannt, wie die, die ich in den Jahren 2009 bis 2020 im Bürogefängnis machen musste, finde ich es doch schade und immer wieder bemerkenswert, wie sehr einen der Alltag und die Routinen davon abhalten, eine der mächtigsten Fähigkeiten des menschlichen Gehirns zur Geltung kommen zu lassen: das Fließen der kreativen Säfte.
Ich bin immer dann am kreativsten, wenn ich möglichst frei bin. Die Gedanken und Einfälle sprudeln nur so aus mir heraus und ich muss mit einer Ideenliste arbeiten und mir alles notieren, da ich ansonsten viele meiner Inspirationen wieder vergessen würde. Auch wenn ich meine Routinen und meine festgelegten Abläufe liebe und brauche, so benötige ich auch ganz dringend Freiheit. In meinem heutigen Leben sind sämtliche Vorgaben, denen ich unterlegen bin (von denen des Finanzamts mal abgesehen) von mir selbst und einigermaßen frei gewählt. Und glücklicherweise habe ich die Flexibilität, diese schnell und einfach – ohne mich mit jemandem absprechen zu müssen – ändern zu können.
Mein Berufsalltag in den Jahren 2009 bis 2020 war schrecklich. Ich fühlte mich so unheimlich gefangen. Es ist absurd, wie früh es mir bereits bewusst war, dass es sich um ein Gefängnis handelte, – quasi Haft im offenen Vollzug (und mit Bezahlung) – und wie lange ich dennoch gebraucht habe, um festzustellen, dass es auch anders geht. Man muss nicht im Hamsterrad leben. Auch wenn es zunächst für die meisten Menschen keine andere Möglichkeit gibt – außer, man ist in privilegierte Verhältnisse hineingeboren –, war es eine enorme Erkenntnis für mich, dass mein Weg ein anderer sein könnte. Könnte. Würde ich nicht handeln, würde sich auch nichts ändern. Und ich würde für immer in meinem Gefängnis verrotten und unglücklich sein. Ich beschloss, den Ausbruch zu wagen. Ich kaufte mir ein Hamsterrad – also ein tatsächliches. Und stellte es mir auf meinen Schreibtisch. Die Geschichte beginnt im Jahre 2019.